Es muss Herzen geben, welche die Tiefe unseres Wesens kennen
Was meinen Sie? Ob Katharina eine Freundin hatte? Oder eine Vertraute?
Diese Frage stelle ich mir immer wieder mal, wenn mir das Gespräch mit einem vertrauten Menschen fehlt. Das kann ja schon mal passieren – wegen Arbeitseinsätzen weit weg, wegen Krankheit oder Urlaub oder aus welchen Gründen auch immer.
Betrachtet man Katharinas beispiellose Christusbeziehung, so könnte man sagen: Da war kein Platz für eine Freundschaft. Katharina betet zum Beispiel:
"Mein Jesus, mein alles. Mein Jesus, mein Leben. Mein Jesus, mein Gewinn. Mein Jesus soll ganz mein sein, und ich will ganz Dein sein. O mein Jesus, meine Liebe!" (Brief 97)
Und doch muss man die Frage stellen: Brauchen wir Menschen nicht jemanden, dem wir vertrauen können, dem wir auch ganz Persönliches anvertrauen können?
Karl Gutzkow – ein Zeitgenosse Katharinas - sagte einmal: "Es muss Herzen geben, welche die Tiefe unseres Wesens kennen und auf uns schwören, selbst wenn die ganze Welt uns verlässt." Unter diesen Herzen versteht er die Vertraute, den Vertrauten. Dieses Wort könnte auch eine Definition von Freundschaft sein, oder?
In Katharinas Leben gibt es zwei Schwestern, die man unter diese Kategorie "Vertraute, Freundin" packen kann: Sr. M. Secunda Germersheim und Sr. M. Firmata Fasbender. Zeugnis geben Katharinas Briefe; und die meisten ihrer persönlich adressierten Briefe gehen an diese beiden Schwestern. Katharina teilt mit ihnen ihre Sorgen und Probleme, sie fragt sie um Rat, sie vertraut ihnen Persönliches an. Sie teilt ihre eigene Befindlichkeit mit und gibt ihrer Sorge um diese Schwestern Ausdruck, z.B. schreibt sie an Sr. Firmata: "Besonders lege ich Ihnen ans Herz und mache es Ihnen zur gewissenhaften Aufgabe, nicht allein für die Schwestern besorgt zu sein für Leib und Seele, sondern auch für sich selbst, sich zu kräftigen." (Brief 84)
Das Anvertrauen des Persönlichen tut man nicht bei jedem. Da muss es eine vertraute Beziehung geben. Und die bewahrt uns dann vor Vereinsamung, Verbitterung, Missstimmung – und manchmal auch vor Verirrungen.
Einmal schreibt Katharina an Sr. Firmata: "… Es tut mir so leid, wenn ich derartige Unzufriedenheiten höre und so wenig Liebe geübt wird. Sie wollen natürlich diese Bemerkungen für sich behalten … Man verliert bald den Mut, wenn man sieht, dass kränkliche Schwestern so schwer zufrieden zu stellen sind …" (Brief 142)
Noch persönlicher geht doch nicht, oder?
Ich glaube, der Herr selbst wollte, dass es Herzen gibt, die die Tiefe unseres Wesens kennen. Hätte er sonst seine Jünger zu zwei und zwei ausgesandt? Er selbst hat sich immer wieder mal nach Bethanien zurückgezogen zu seinen Freundinnen Martha und Maria und seinem Freund Lazarus.
In unseren Konstitutionen findet sich eine Bestätigung dessen, was Katharina schrieb und was sie lebte: "…. echte Freundschaft bereichern und stärken das Leben der Hingabe." (Konst. ADJC 3.1)